In einer Zeit, in der Mode schneller wechselt als je zuvor und Handschuhe oft als Relikt vergangener Zeiten gelten, gibt es einen Ort in der englischen Kleinstadt Lewes, an dem die Zeit stillzustehen scheint. Hier, in der Manufaktur von Cornelia James, entstehen seit fast acht Jahrzehnten Handschuhe, die Königinnen, Popstars und Filmdiven gleichermaßen tragen.

Die leise Sprache der Accessoires

Die Firmengründerin Cornelia James war eine österreichische Designerin jüdischer Herkunft, die 1939 vor dem nationalsozialistischen Regime aus Wien nach England fliehen musste. Mit einem Koffer voller bunter Lederstoffe und großer Entschlossenheit begann sie dort, Handschuhe zu fertigen und legte so den Grundstein für ein Unternehmen, das bis heute für höchste Qualität und Eleganz steht.

Firmengründerin Cornelia James in ihrem Atelier. Sie verstarb im Jahr 1999. ©Cornelia James
„Ein Handschuh ist kein bloßes Accessoire“, sagt Genevieve James, die Tochter der Gründerin. „Er ist eine Botschaft, ein Statement von Haltung, Stil und Respekt. Er ist das i-Tüpfelchen eines Outfits.“

Wir erreichten Genevieve James via Video-Call und waren beeindruckt von ihrer warmherzigen, zugewandten und sehr sympathischen Art, mit der sie über das Familienunternehmen und ihre Leidenschaft für Handschuhe erzählt. Man spürt sofort, dass hinter dem Traditionshaus nicht nur ein Name, sondern eine gelebte Überzeugung steht.

Genevieve ist die Tochter von Cornelia James und heutige Kreativdirektorin des Unternehmens. ©Cornelia James

1947 kam der Ritterschlag: Norman Hartnell, Hoflieferant und Modemacher der damaligen Prinzessin Elizabeth, beauftragte Cornelia James, Handschuhe für die königliche Hochzeitsreise zu entwerfen. Was als Auftrag für eine junge Monarchin begann, entwickelte sich zu einer bis heute andauernden Partnerschaft. 1979 erhielt Cornelia James den Royal Warrant, die offizielle Ernennung zum Hoflieferanten der britischen Königin.

Vom Großhandel zur persönlichen Nähe

Bis Ende der 90er Jahre verkaufte Cornelia James hauptsächlich an große Warenhäuser wie Harrods, die die Handschuhe dann weitervermarkteten. Mit dem Beginn des Online-Zeitalters änderte sich das grundlegend. Plötzlich stand das Unternehmen direkt im Austausch mit den Kundinnen und Kunden.

„Das Internet hat unser Geschäft viel persönlicher gemacht“, erzählt Genevieve James. „Früher war Cornelia James eher ein Geheimtipp in den großen Kaufhäusern, der Kontakt zu den Endkundinnen lief über mehrere Stationen. Heute stehen wir direkt im Austausch mit den Menschen, die unsere Handschuhe tragen. Wir hören ihre Geschichten, ihre Wünsche, ihre Begeisterung, und das bedeutet uns unglaublich viel. An jedem Paar hängt ein kleiner Tag mit dem Namen der Näherin. Dieses persönliche Detail schafft eine Verbindung, die weit über ein Produkt hinausgeht und viel über unsere Wertschätzung für Handarbeit und Tradition aussagt.“

Tradition trifft Popkultur

Was das Unternehmen besonders macht, ist die Balance zwischen klassischer Handwerkskunst und moderner Relevanz. Während andere Traditionsbetriebe langsam von der Bildfläche verschwanden, schaffte es Cornelia James, seine Produkte auf den roten Teppich und in die Streaming-Charts zu bringen. Die Handschuhe aus Lewes zierten nicht nur die Hände von Königin Elizabeth II., sondern auch die von Rihanna, Taylor Swift und Lady Gaga.

In Serien wie The Crown, Downton Abbey und Bridgerton spielen sie eine stille, aber auffällige Nebenrolle.

„Wenn wir für eine Produktion arbeiten, achten wir akribisch darauf, dass der Handschuh zur Epoche und zur Figur passt“, erzählt Genevieve James. „Es geht um mehr als Mode. Es ist Geschichte, die am Handgelenk sitzt.“

Der Klassiker: Das Modell „Regina“

Besonders ikonisch ist das Modell „Regina“, ein Baumwoll-Handschuh, schlicht, elegant und von der Queen bei unzähligen offiziellen Anlässen meist in Weiß oder Schwarz getragen. Er steht exemplarisch für die Philosophie des Hauses: Understatement mit Perfektion.

Modell "Regina", der Lieblingshandschuh von Queen Elizabeth II. ©Cornelia James

Handarbeit gegen den Zeitgeist

Während sich die Modeindustrie digitalisiert und automatisiert, bleibt Cornelia James bei Handarbeit. Näherinnen fertigen jedes Paar in präziser Maßarbeit. Baumwolle, Merinowolle, Leder... alle Materialien werden streng ausgewählt, oft aus England und Italien. Die Schnitte stammen aus dem Firmenarchiv, das bis in die 1940er Jahre zurückreicht. So stammt der Schnitt für das Modell Imogen, das auch von Prinzessin Kate gerne getragen wird, aus der Anfangszeit von Cornelia James. Gleichzeitig entstehen auch exzentrische Sonderanfertigungen.

„Unsere größte Herausforderung ist, relevant zu bleiben, ohne uns zu verbiegen“, sagt James. „Wir sind uns unserer Geschichte bewusst. Aber wir wissen auch: Ein guter Handschuh erzählt immer eine Geschichte — ob bei der Queen oder bei Rihanna.“

Ihr persönliches Lieblingsmodell ist der seidene Desdemona-Handschuh in Schwarz:

„Er ist mein absoluter Favorit. Edel, raffiniert und ein wenig dramatisch.“

Ein Accessoire mit Zukunft

Tatsächlich erleben Handschuhe ein dezentes Comeback. Nicht nur auf der Leinwand oder in der Oper, sondern auch im Alltag als Ausdruck von Stil und Individualität. Cornelia James zeigt, dass ein altes Handwerk in einer modernen Welt bestehen kann, wenn es gelingt, aus einem Gebrauchsgegenstand ein Stück Identität zu machen.