Etwa 140 Kilometer südlich des Polarkreises pflegte die Gerberei Böle rund ein Jahrhundert lang die Kunst des ehrlichen Handwerks – für Königshäuser, Sammler und Freunde des Besonderen.
Zeitlose Klassiker. Produkte ohne Schnörkel und Überflüssiges, die durch ihr Material, ihre klare Form und handwerkliche Perfektion überzeugen. So könnte man die ledernen Rucksäcke, Aktentaschen, Koffer oder Laptop- und Handy-Sleeves von Böle beschreiben, die seit 1899 im hohen Norden Schwedens entstehen. Ihre Preise? Hoch. Ihre Qualität? Über jeden Zweifel erhaben. Böle fertigte nie für den schnellen Trend, sondern für Menschen, die sich mit Dingen umgeben, die Bestand haben. Schlicht, funktional, ästhetisch und ehrlich.

Ein Handwerksbetrieb mit langer Tradition
Gegründet wurde die Gerberei Böle 1899 von Oskar Sandlund. Über drei Generationen hinweg wurde das Wissen weitergegeben, vom Großvater zum Vater, vom Vater zum Sohn. Der dritte in dieser Reihe war Jan Sandlund, der die Gerberei und die kleine Manufaktur ab den 1970er-Jahren führte. 1996 erhielt Böle den Titel „Königlicher Hoflieferant“ – doch der Weg dorthin begann, wie so viele gute Geschichten, mit einem kleinen Zufall und einer beherzten Entscheidung.

Die Sache mit den Bilderrahmen
1988 fertigte Böle einen maßgeschneiderten Lederrucksack für König Carl XVI. Gustaf – ein Geschenk des Regierungspräsidenten von Norrbotten, der schwedischen Provinz, in der die Gerberei ansässig ist. Als Jan Sandlund die Gelegenheit bekam, diesen persönlich am königlichen Hof zu übergeben, nutzte er die Chance, um auch andere Arbeiten zu zeigen. Dort traf er auf Wilhelm Reuterswärd, den Verantwortlichen für das Inventar der königlichen Sammlungen.
„Er fragte mich, ob wir auch lederbezogene Bilderrahmen herstellen könnten“, erinnert sich Jan. „Wir hatten das noch nie gemacht. Aber natürlich habe ich sofort Ja gesagt. Man kann ja nicht mit Nein anfangen.“
Diese Entscheidung sollte Geschichte schreiben. Aus dem ersten Auftrag wurde eine jahrzehntelange Zusammenarbeit. Über 1.000 lederne Bilderrahmen fertigte Böle seither für den schwedischen Königshof - in feinster Handarbeit, aus selbst gegerbtem Leder, mit dezent eingeprägtem Wappen und meisterlich verarbeitet. Die Rahmen wurden zu Botschaftern der schwedischen Handwerkskultur, verschenkt an Staatsoberhäupter, Diplomaten und Persönlichkeiten wie Nelson Mandela.
Im Jahr 1993 hatte Böle bereits 80 Bilderrahmen an den Hof geliefert, als Jan erstmals daran dachte, sich offiziell um den Titel des Hoflieferanten zu bewerben.
„Ich habe damals gedacht, wir sollten uns nicht zu forsch zeigen. Das ist nicht unsere Art hier oben im Norden.“
Schließlich, Ende 1995, rang er sich doch dazu durch. Am 20. Dezember 1995 schickte er die Bewerbung ab und hat das Dokument bis heute auf seinem Laptop gespeichert. Zu diesem Zeitpunkt hatte Böle längst auch für Königin Silvia gearbeitet und unter anderem eine lederne Mappe für den norwegischen Kronprinzen Haakon gefertigt - ein Auftrag, den der schwedische Königshof persönlich an Böle vergab.

Ein Ort der Freundschaft, Haltung und gutem Geschmack
Doch Böle war nie nur Hoflieferant. Über die Jahre wuchs eine weltweite Gemeinschaft aus Kunden, Sammlern und Liebhabern, mit denen Jan gerne via Email kommunizierte.
„Die vielen Mails haben oft zu sehr schönen Beziehungen geführt. Ein Geschenk, das ich in meinem Alter sehr zu schätzen weiß“, schreibt er in seiner letzten Nachricht an seine Kunden.
Produziert wurde nie für den Massenmarkt, sondern für Kenner. Jedes Stück - ob die Business Briefcase, der Prince Rucksack oder die Portfolio Mappe - wird einzeln gefertigt, nummeriert und in ein zentrales Register eingetragen. Keine Eile, kein Kompromiss. Dafür eine Qualität, die Jahrzehnte überdauert.
Die Philosophie dahinter war stets so schlicht wie sympathisch:
„Wir produzieren was uns selbst gefällt und wir nehmen an, dass es noch mehr Menschen mit demselben guten Geschmack gibt.“
Und dass diese Haltung mitunter recht deutlich geäußert wird, zeigt auch eine Anekdote, die Jan gern erzählt:
„Wenn es darum geht, Taschen zu machen, weiß unser Sattlermeister wirklich, was er tut. Er ist schon so lange dabei, wie ich denken kann, und ich habe ihn oft brummen hören: ‘Alles, was nach 1890 gemacht wurde, ist Mist.’“
Schnellschüsse oder billige Lösungen? Nicht bei Böle. Hier entstehen Dinge fürs Leben und darüber hinaus.

Das Ende der Gerberei und ein neues Kapitel
2023 schloss Jan die alte Gerberei, ließ die legendären Gerbgruben leerlaufen.
„Ich konnte es nicht lassen, etwas von dem jahrhundertealten Gerbwasser für die nächste Generation aufzuheben.“
Die Sattlerei aber besteht. Noch gibt es letzte Felle aus der alten Produktion, aus denen die letzten Böle-Aktentaschen und Rucksäcke gefertigt werden.
Gleichzeitig hat die vierte Generation mit Anders Sandlund neue Wege eingeschlagen. Unter dem Namen Sandain entstehen nun in Bangladesch hochwertige Lederwaren, gefertigt unter fairen Bedingungen und mit demselben handwerklichen Anspruch wie bei Böle.
Ein Vermächtnis, das bleibt
Auf die Frage eines langjährigen Kunden aus China, ob denn auch seine Söhne eines Tages ein Böle-Produkt kaufen könnten, antwortete Jan:
„Es ist mein großer Wunsch, dass so etwas in der einen oder anderen Form weitergehen wird. Gedanken sind in Bewegung, Pläne werden diskutiert, Kräfte bewegt – wir werden sehen, was daraus wird.“
Vielleicht ist das das schönste Vermächtnis von Böle: Ein Unternehmen, das mehr war als ein Betrieb. Ein Ort, an dem Beziehungen, Werte und Handwerk gepflegt wurden und an dem aus Aufträgen Freundschaften entstanden sind.